„Niemand muss draußen schlafen“ – das ist der Leitsatz des bundesweit einzigartigen Kälteschutz-Programmes der Landeshauptstadt München.
Seit nunmehr sieben Jahren findet dieses Programm in Kooperation mit dem Evangelischen Hilfswerk auf dem Gelände der Bayernkaserne statt. Von 17.00 Uhr am Nachmittag bis 9.00 Uhr in der Früh steht das Haus 12 in den kalten Monaten den ca 1000 Münchener Obdachlosen zur Verfügung. Ein Ort an dem sie sich aufwärmen, duschen und schlafen können.
Eine normale Nacht – aber was passiert bei Problemen?
Damit alles geregelt und problemfrei funktioniert, gibt es einen streng geplanten Ablauf. Die Hilfesuchenden müssen sich zuerst beim Evangelischen Hilfswerk in der Schillerstraße 25 anmelden. Dort bekommen sie einen Zuweisungsschein, der wichtigen Angaben zur Person und der Anzahl der Nächte enthält, die die jeweilige Person in der Bayernkaserne übernachten kann. Gleichzeitig dient dieser Schein auch als MVV Ticket für Fahrten zur Bayernkaseren und zurück.
In der Bayernkaserne angekommen, werden die Zuweisungsscheine abgegeben und im System eingescannt. Gleichzeitig führen die Mitarbeiter_innen von Jonas Better Place Personenkontrollen durch und nehmen den Obdachlosen verbotene Gegenstände, wie Alkohol oder waffenähnliche Gegenstände, ab.
Dann geht es weiter über das Gelände zum Haus 12. Das Gebäude hat abgegrenzte Bereiche mit verschiedenen Eingängen, wo nach Männern, Frauen und Familien unterschieden wird. Im Eingangsbereich werden nochmals Personenkontrollen durchgeführt, Einweg-Bettwäsche ausgegeben und die Zimmer systematisch verteilt. Es gibt ausschließlich Mehrbettzimmer, die nach Nationalitäten getrennt werden. Insgesamt ist Platz für etwa 900 Personen, jedoch wird dieser nie ganz gebraucht. In diesem Jahr werden durchschnittlich 400 Plätze pro Nacht belegt, was nochmals eine Steigerung der vorherigen Jahre ist. Für gesundheitliche Probleme ist ärztliche Versorgung vor Ort. Sind die Zimmer verteilt, werden die Zuweisungsscheine auch hier nochmals eingescannt, sodass man die Personen eindeutig den jeweiligen Zimmern zuweisen kann.
Regelverstöße, beispielsweise Rauchen innerhalb der Räumlichkeiten, werden geahndet und notiert. Bei wiederholten oder schweren Regelverstößen sowie extremer Trunkenheit muss die jeweilige Person in einem sehr spartanisch eingerichteten, externen Einzelzimmer übernachten. Diese Maßnahme gewährleistet ein respektvolles Miteinander und gewissermaßen auch Ordnung in Haus 12, ohne dass jemandem ein warmer Schlafplatz verwehrt wird. Ferner haben die Mitarbeiter auch digitale Geräte, mit denen sie im Notfall mit nur einem Knopfdruck einen internen Alarm auslösen, mehrere Streifenwägen der Polizei und/oder einen Krankenwagen anfordern können. Das Team von Jonas Better Place ist die ganze Nacht mit einem Team von mindestens 10 Mitarbeiter_innen vor Ort. Diese fungieren als Ansprechpartner_innen und dienen der Sicherheit sowohl für die Hilfesuchenden als auch die anderen Teammitglieder.
Am Morgen im Kälteschutz
Am nächsten Morgen werden die Hilfesuchenden gegen 7.30 Uhr geweckt. Um 8.45 müssen sie das Haus verlassen und auschecken. Anschließend bereiten die Mitarbeiter_innen alles für die nächste Schicht und eine neue Nacht vor. Im Familienbereich gibt es kleine Regeländerungen: Ist zum Beispiel die Mutter oder ein Kind krank, darf die Aufenthaltsdauer auf 24 Stunden ausgeweitet und die ärztliche Versorgung natürlich kostenfrei in Anspruch genommen werden. Außerdem dürfen Familien, anders als Alleinstehende, einen Teil ihrer persönlichen Sachen tagsüber in den Zimmern lassen.
Demografie
Unter den Hilfesuchenden stammt der Großteil aus EU-Ländern. Knapp die Hälfte aller Personen mit einem Einweisungsschein zur Notübernachtung haben die rumänische oder bulgarische Staatsangehörigkeit. Die nächstkleinere Gruppe sind Deutsche. Den Rest bilden Menschen aus anderen EU- und Flüchtlingsländern, u. a. Italien, Polen, Ungarn, Nigeria oder Syrien.
Gleichzeitig kann man sagen, dass der größte Anteil der Hilfesuchenden im erwerbsfähigen Alter ist. Sie sind vermutlich im Rahmen der Arbeitsmigration nach Deutschland gekommen und arbeiten im Niedriglohnsektor zum Beispiel als Tagelöhner.
Der Geschlechterunterschied ist ebenfalls enorm. Mit circa 80% bilden Männer die große Mehrheit im Kälteschutz.
Alexandra Gruber